Artikel Klang & Ton

Auszug aus einem Artikel der Zeitschrift Klang & Ton 5/06, S.54

"Der Waveguide - so funktioniert`s

Übersetzt heisst Waveguide "Wellenleiter", was seine Arbeitsweise eigentlich schon perfekt beschreibt. Wie er genau funktioniert, erklären die folgenden Abschnitte.

Die Funktion
Die Membran eines Lautsprecherchassis gibt ihre Bewegungen als akustische Energie an die umgebende Luft ab. Das Prinzip funktioniert aber nicht immer und überall beliebig gut, es ist im Gegenteil sehr abhängig von Membranfläche und Frequenz. Kalottenhochtöner mit gängigen 25 Millimetern Membrandurchmesser sind ab ca. 1 - 2 kHz am Ball, darunter lässt sich die Luft von der kleinen Membran kaum zum Mitschwingen überreden. Hier kann man zum Beispiel mit einem Waveguide nachhelfen. Die Funktion ist mit einem Horn vergleichbar, allerdings besitzen Waveguides im Allgemeinen keine Druckkammer und haben einen deutlich grösseren Öffnungswinkel. Ihre schalldruckverstärkende Wirkung ist daher geringer und beschränkt sich nur auf den unteren Teil des Übertragungsbereichs. Dort stellt sich der Trichter der Luft in den Weg, die der Membran auszuweichen versucht. Sie muss sich wohl oder übel beugen und den Membranbewegungen folgen, was zu einer verbesserten Kopplung und damit höherem Schalldruck führt. Bei höheren Frequenzen ist die Kopplung auch ohne Waveguide schon so gut, dass er hier keine Wirkung besitzt.

Sinn und Zweck...
... des Waveguides sind eine kontrollierte Abstrahlcharakteristik, eine gesteigerte Belastbarkeit und eine verbesserte Ankopplung an den Tiefmitteltöner. Zweiweg-Systeme mit "normalen" Hochtönern zeigen prinzipbedingt ein eher ungleichmässiges Rundstrahlverhalten. Das liegt an der zunehmenden Bündelung der Chassis mit steigender Frequenz. Bei niedrigen Frequenzen strahlt ein Tiefmitteltöner noch kugelförmig ab. Ab dem Mittelton aufwärts beginnt das Chassis dann merklich zu bündeln, je grösser, desto mehr. Irgendwo zwischen 2 und 3 kHz folgt im Allgemeinen die Trennung zum Hochtöner, der bei für seine Verhältnisse niedrigen Frequenzen, also im Übernahmebereich, ebenfalls gut rundstrahlt. Erst am oberen Ende des Hörbereichs macht sich seine Bündelung bemerkbar.
Betrachtet man den Frequenzgang des Gesamtsystems, so erkennt man ein unstetiges Rundstrahlverhalten. Und da wir nun mal nicht nur "auf Achse" hören, sondern auch mitbekommen, was ein Lautsprecher unter Winkel in den Raum abgibt, kann sich diese Unstetigkeit klanglich durchaus negativ bemerkbar machen.
Der mit Waveguide bestückte Hochtöner kennt dieses Problem nicht, sein Vorsatz bündelt den Schall im unteren Bereich in Richtung der Hauptabstrahlachse. Gerade im für Räumlichkeit und Tonalität wichtigen Mitteltonbereich werden so die Raumreflexionen verringert, ein Grund, warum Waveguides gerne in Studiomonitoren eingesetzt werden. Der Tontechniker will schliesslich hören, was aufgenommen wird, und nicht, was der Raum daraus macht. Ein positiver Nebeneffekt der gesteigerten Bündelung im Mittelton ist die Verringerung von unerwünschten Kantenreflexionen. Gerade Hochtöner sind, was Gehäusekanten angeht, besonders empfindlich und reagieren gerne mit einem welligen Frequenzgang. Diese Eigenschaft wird durch den Waveguide verringert, da der Schall nur noch dessen Wände, aber nicht die Kanten des Gehäuses "sieht".
Auch die Ankopplung an den bzw. die Tiefmitteltöner wird durch den Waveguide verbessert. Wenn man sich einmal den Flächenunterschied verdeutlicht, der beim Wechsel vom Tiefmittel- zum Hochtöner geschieht (bei 17 cm TMT und 25 mm HT ungefähr Faktor 20!), wird anschaulich klar, dass der Hochtöner jede Unterstützung im Übernahmebereich gebrauchen kann. Und obwohl der Waveguide hier nicht aktiv, sprich mitschwingend, eingreift, unterstützt er die kleine Membran auf passivem Wege, indem er ihre Arbeit über die oben beschriebene, bessere Ankopplung an die Luft effizienter gestaltet. Auf diese Weise entsteht eine virtuelle Vergrösserung der Membranfläche, die den Faktor wesentlich verbessern wird.
Auch stellt sich die Frage, weshalb es sinnvoll sein sollte, mehr Pegel zu erzeugen, wenn man ihn hinterher wieder mühsam wegfiltern muss. Genau in der Filterung liegt aber der Trick. Sie setzt früher und steiler ein, was nicht nur die Belastbarkeit des Chassis erhöht, sondern auch Verzerrungen mindert. Gerade am unteren Ende seines Übertragungsbereichs ist die elektrische und mechanische Belastung für einen Hochtöner gross, daher reagiert er positiv auf jede Entlastung.
Der räumliche Versatz nach hinten ist ebenfalls eine positive Eigenschaft des Waveguides. Bei einer normalen Kalotte sitzt das akustische Zentrum zumeist viel weiter vorne als das des konusförmigen Tiefmitteltöners. Durch diesen mechanischen Versatz entsteht zwangsläufig ein Phasenproblem zwischen den Treibern, das auf anderem Wege, zum Beispiel über eine Stufe im Gehäuse oder die Frequenzweiche gelöst oder schlicht und ergreifend in Kauf genommen werden muss. Der Waveguide rückt den Hochtöner einige Zentimeter nach hinten, so dass er sich deutlich näher am Schallentstehungsort des Tiefmitteltöners befindet. Diese mechanische Phasenkorrektur begünstigt die räumliche Wiedergabe, weil die Wellenfronten der Box auf einer Ebene entstehen. "

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